Inside Silicon Valley

Der rote Tesla biegt schon wieder vor uns um die Ecke! Auf unserem Weg durch Palo Alto zum Geburtsort des Silicon Valley – ein Schuppen , in dem Hewlett und Packard 1939 ihr Unternehmen starteten –  fühlen Saaris-Präsidentin Anke Rehlinger, Fanomena-Gründer Marc Grewenig und ich uns zunächst etwas verfolgt von diesem schnittigen E-Auto.

Bis wir feststellen: Es ist zwar der gleiche Wagen, aber nicht derselbe. Denn Tesla ist inzwischen für viele im Süden San Franciscos zum gängigen Alltagsfahrzeug geworden. Das beweist uns auch die riesige E-Tankstelle in der Nähe einer Shoppingmall am Google-Stammsitz an einem Samstagnachmittag. Hier laden Dutzende Elektrofahrzeuge, während ihre Inhaber die Wochenendeinkäufe erledigen – offline, immerhin.

Dass es Tesla hier zum Alltagsfahrzeug geschafft hat, offenbart augenfällig zwei wesentliche Charakterzüge des Silicon Valley:  Hier ist man extrem offen für Innovation. Und hier ist auch genug Kapital vorhanden, um Investitionen in Neues zu finanzieren. Privat und geschäftlich. Und auch wenn der ein oder andere Abgesang auf das Silicon Valley schon erklungen ist, so wird jedem, der sich auf diesen virtuellen Ort einlässt, schnell klar: beinahe nirgendwo auf der Welt  ist die Dichte an Menschen mit Ideen und Menschen, die bereit sind, in diese Ideen viel, sehr viel Geld zu investieren so groß wie hier. Nirgendwo auf der Welt kommen sich Innovation und Investition so einfach so nahe. Und nirgendwo auf der Welt werden Regeln jeglicher Art so konsequent ignoriert, um innovativ zu sein, digital zu werden und mit beidem Geld zu verdienen.

„Wenn du groß denkst und dein Business groß machen willst, musst du hierher“, verrät mir ein junger polnischer Startup in Jeans und schwarzem T-Shirt, der sein Unternehmen in Amsterdam gegründet hat und jetzt im Co-Working Space des Startboot Camp Palo Alto residiert. „Und wenn du es nicht machst, wird eines Tages jemand anderes mit einer ähnlichen Idee vom Silicon Valley aus den Weltmarkt beherrschen. Für deine Idee bleibt bestenfalls noch eine Nische. Wenn überhaupt.“ Nicht nur Hewlett Packard, Google, Microsoft, Facebook, Adobe und all die anderen Weltmarktführer beweisen, dass der junge Mann vermutlich recht hat. Wenn man von den Bergkuppen entlang der Pazifik-Küste auf der Sand Hill Road hinunter ins „Valley“ fährt, das geografisch korrekt eigentlich Santa Clara Valley heißt und einst ein Mekka des Obstanbaus war, passiert man ein Investorenhaus nach dem nächsten. Die meisten davon sind aber keine Hochhaus-Glitzerbuden, wie wir sie aus den Downtowns der großen Städte kennen, sondern auf neuestem digitalen und ökologischen Stand gebaute Villen, die der souveräne Charme des modernen Understatement prägt.

Blicks ins Valley von der Bergkette der Pazifikküste aus.

Aber drinnen geht es rund und zur Sache. „Think big“ ist die Finanzierungsdevise. „Mit einem Businessplan, der ein oder zwei Millionen Dollar umfasst, interessiert sich hier niemand für dich“, resümiert ein Mitarbeiter des Bootcamps. Eine Produktidee, eine Businessvision, viel Ehrgeiz, Mut und Risiko braucht jede und jeder, der es hier versucht. Und Kontakte in die Investorenszene. Das ist einer der entscheidenden Skills, die das Startbootcamp den Gründern bietet. Neben exklusiven Zugängen zu Veranstaltungen und fachlichem Austausch, Beratung bei Businessplänen und Pitch-Vorbereitung. Hier lebt der „american dream“, der in der digitalen Welt längst zum „world dream“ geworden ist. Doch die jungen Leute aus ganz Europa in dem äußerlich an ein Jugendzentrum der 80er Jahre erinnernden Co-Working-Space träumen nicht, sondern arbeiten hart, um die Zeit, die sie hier haben, möglichst effektiv zu nutzen. Und mittendrin: der Saarländer Marc Grewenig. Es läuft gut für ihn und seine Firma Fanomena in den ersten Wochen und Grewenig bereut den Schritt nicht. Im Gegenteil: Er rät auch anderem aus dem Saarland dazu, das „Valley“ in den Blick zu nehmen. Es gibt genug Potential bei uns im Land. Und nun einen ersten Pfad für Start-ups, der von der Saar nun Richtung Kalifornien getrampelt ist. „Hier lässt sich freier denken. Technische, nationale, geschäftliche oder rechtliche Regeln werden erst einmal ignoriert. Innovation schlägt Konvention. Die Welt wird hier durch die Digitalisierung täglich neu erfunden.“

Neben dem Tesla gibt es allerdings noch einen weiteren Fahrzeugtyp, der eine ganze Reihe von Straßenzügen im Silicon Valley prägt: das Wohnmobil. Die Insassen dieser Gefährte sind aber keine touristischen Besucher im Valley. Ganz im Gegenteil. Sie sind Bewohner, für die, nachdem sie Wohnung oder Eigenheim verloren oder angesichts der Preise erst gar keine gefunden haben – das „mobile home“ die letzte Stufe vor einem Leben auf der Straße ist. Auch das ist Silicon Valley: Zwischen dem digitalen „american dream“ und dem realen „american nightmare“ liegt bisweilen nur eine Ampelkreuzung.

Der Text erschien erstmals in: https://www.saaris.de/fileadmin/saaris/medien/impuls/saaris-impuls2018-11.pdf?fbclid=IwAR1g0MDEJU_OUb5sOZfBDFSzsTZfMXHdmDSpU7F6XYgLdLV-A4JHMAYit5A

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